Medikamente

Für viele Betroffene mit Familiärer Hypercholesterinämie (FH) führt kein Weg an der Einnahme von Medikamenten vorbei. Zum Glück gibt es mittlerweile vielfältige Möglichkeiten, die FH medikamentös zu behandeln. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Wirkstoffe vorgestellt – aus rechtlichen Gründen ist es dabei nicht erlaubt, Produktnamen zu erwähnen, um keine unlautere Werbung zu machen.

Eine Besonderheit stellt die medikamentöse Behandlung von Kindern dar: Hier wird in Fachkreisen noch über das Alter diskutiert, von dem an betroffene Kinder cholesterinsenkende Medikamente bekommen sollten. Oft wird empfohlen, Kinder ab 8 Jahren zu behandeln. Allerdings muss das immer im Einzelfall entschieden werden und manchmal ist es wichtig, die Therapie in jüngerem Alter zu beginnen.

Der genaue Wirkmechanismus von Statinen und weiteren cholesterinsenkenden Medikamenten wird im Folgenden erläutert, am Ende des Kapitels finden Sie noch einen Ausblick über aktuelle Neuentwicklungen und den Stand der Forschung. Bitte beachten Sie bei allen Angaben stets, dass Sie niemals ohne Rücksprache mit dem Arzt bestimmte Medikamente absetzen oder die Mengen selbständig verändern sollten!

Die wichtigsten Wirkstoffgruppen zur Behandlung der Familiären Hypercholesterinämie sind:

  • Statine
  • Cholesterinresorptionshemmer
  • Anionentauscher
  • Fibrate

Statine

Statine sind die bevorzugten Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels. Der Wirkmechanismus dieser Substanzen ist die Hemmung der körpereigenen Cholesterinsynthese, also der Erzeugung von Cholesterin im Körper – diese findet ebenso wie der Abbau vor allem in der Leber statt. Da die Leber nicht mehr so viel Cholesterin zur Verfügung stellen kann, decken die Zellen ihren Bedarf dann vor allem aus dem Cholesterin, das im Blutkreislauf enthalten ist, sodass der Spiegel im Blut sinkt. Moderne Statine können den Cholesterinspiegel um bis zu 50 Prozent senken – die Wirkung kann allerdings abhängig von der Ausprägung der Krankheit stark variieren. Außerdem gibt es unterschiedliche Statine, die bei verschiedenen Menschen unterschiedlich stark wirken.

Bekannte und häufigere Nebenwirkungen von Statinen können Muskelprobleme in Form von Schmerzen oder im Labor erkennbaren Schädigungszeichen der Muskeln sein. Der behandelnde Arzt beachtet auch die Möglichkeit von erhöhten Leberenzymen. Nebenwirkungen, die so schwer sind, dass die Statine abgesetzt werden müssen, sind nicht häufig, können aber dann zum Beispiel eine LDL-Apherese notwendig machen. Für die Statine ist der Behandlungsnutzen am deutlichsten gezeigt worden, da sie messbar das Risiko senken, an schweren Herz-Kreislaufleiden zu erkranken.

Cholesterinresorptionshemmer

Medikamente aus dieser Wirkstoffklasse hemmen die Aufnahme des Cholesterins aus dem Darm in den Körper. Bisher ist allerdings nur ein Medikament auf dem Markt, das diesen Wirkmechanismus aufweist. Es senkt das Cholesterin bis zu etwas über 20% und ist auch wegen der guten Verträglichkeit der häufigste Kombinationspartner der Statine – entweder, um Nebenwirkungen zu reduzieren oder um ein bestimmtes Therapieziel zu erreichen.

Anionenaustauscher

In Dosen von über 20 Gramm pro Tag waren Medikamente dieser Substanzgruppe lange Zeit vor Einführung der Statine die wesentlichste Behandlungsmöglichkeit erhöhten Cholesterins. Sie wirken im Darm und binden dort Gallensäure, die viel Cholesterin enthält. So wird die Gallensäure – und damit Cholesterin – ausgeschieden. Um neue Gallensäure zu bilden, verbraucht der Organismus dann wieder  Cholesterin, sodass der Spiegel sinkt. Die Senkung von LDL-Cholesterin erreicht allerdings nur selten 20 Prozent. Gegenwärtig werden auch diese Medikamente als Kombinationspartner eingesetzt oder als Alternative bei Statinunverträglichkeit. Häufigste Nebenwirkung sind Blähungen.

Fibrate

Medikamente dieser Substanzgruppe steigern den Abbau von Fettsäuren innerhalb der Zellen. Sie senken Cholesterin aber verhältnismäßig wenig und werden vor allem in Betracht gezogen, wenn die Triglyceride erhöht sind. Zu den Nebenwirkungen gehören in erster Linie Muskelbeschwerden. Besonders bei der Kombination mit Statinen erhöht sich das Risiko für Nebenwirkungen.

 

Neue Entwicklungen

2016 wurden zwei Wirkstoffe aus der Gruppe der PCSK9-Inhibitoren zugelassen. Es handelt sich um Antikörper gegen das Enzym PCSK9, die den Abbau der LDL-Rezeptoren bremsen, sodass mehr LDL-Cholesterin in die Zellen aufgenommen werden kann und der LDL-Cholesterin-Wert im Blut sinkt. So kann der LDL-Cholesterin-Wert im Durchschnitt um 50 % gesenkt werden. Da die Effektivität von der individuellen Genetik abhängt, gibt es große Schwankungen zwischen  einzelnen Betroffenen. Die medikamentöse lipidsenkende Therapie mit Tabletten (Statin und Ezetrol) muß unbedingt parallel fortgeführt werden. Die Studienlage zeigt neben der hohen Effektivität auch eine sehr gute Verträglichkeit und Sicherheit. Im März 2017 wurde die erste Studie veröffentlicht, die außerdem den positiven Effekt auf die Reduktion von Herz-Kreislaufereignissen zeigt. Der GBA hat eine Verordnungseinschränkung erlassen, die regelt, für welche Gruppen von Patienten die Präparate verschrieben werden dürfen. Wenn diese Vorgaben erfüllt sind, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Bei privat Versicherten sollte vorab einen Nachfrage bei der Kasse erfolgen, da die Leistungserstattungen der Versicherungsverträge  sehr individuell sind. Der GBA hat auch festgelegt, welche Fachärzte die erste Verordnung vornehmen dürfen, und dass die Weiterverordnung durch Hausärzte erfolgen kann.

Für Patienten mit homozygoter Familiäre Hypercholesterinämie ist ein MTP-Inhibitor zugelassen. Dieser bewirkt eine geringere Produktion von VLDL-Cholesterin in der Leber und von Chylomikronen im Darm, woraus eine LDL-Cholesterin-Senkung resultiert. Als Nebenwirkungen können eine Leberverfettung und Fettstühle auftreten, weshalb die Fettzufuhr über die Ernährung sehr stark reduziert werden muss.

Mehrere weitere Therapieansätze zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen befinden sich gerade im Entwicklungsprozess, so dass wir hoffen können, dass die Therapiemöglichkeiten in der Zukunft immer besser werden.

 

Wichtig: Die Wirkungsweise der Medikamente ist von Patient zu Patient verschieden. Die Behandlung muss daher vom behandelnden Arzt auf den Patienten abgestimmt und regelmäßig kontrolliert werden.