Cholesterin und Co e.V.

Patientenorganisation für Patienten mit Familiärer Hypercholesterinämie oder anderen schweren genetischen Fettstoffwechselstörungen

Familiäre Hypercholesterinämie und Kinder

Diagnose bei Kindern

Eine Familiäre Hypercholesterinämie lässt sich gleich nach der Geburt diagnostizieren – bereits aus dem Nabelschnurblut könnte die Diagnose gestellt werden. Die zuverlässigsten Screeningergebnisse werden aber im Alter von 1-9 Jahren erzielt. Der weitüberwiegende Anteil der FH-Patienten in Deutschland ist allerdings unerkannt!

Oft ist die Diagnose in der Praxis aber ein Zufallsbefund im Rahmen anderer Untersuchungen oder Teil einer Familienuntersuchung nach der Diagnose einer Familiären Hypercholesterinämie bei nahen Angehörigen.

In seltenen Fällen wird die Familiäre Hypercholesterinämie auch durch das Auftreten von Xanthomen oder Xanthelasmen diagnostiziert. Diese treten nur selten im Kindes- und Jugendalter auf, können aber bei Erwachsenen auftreten und über diesen Umweg zur FH-Diagnose beim Kind führen.

Cholesterinspiegelbestimmung im Kindesalter

Nach Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselstörungen (APS) in der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin kommt die Cholesterinbestimmung ab dem 3. Lebensjahr in Frage, wenn bei Angehörigen Hinweise für eine vorzeitige koronare Herzkrankheit (KHK) und/ oder Fettstoffwechselstörungen in der Familie vorliegen – vorzeitig bedeutet, dass betroffene Männer jünger als 50 Jahre und betroffene Frauen jünger als 60 Jahre alt waren. Bei Nachweis oder Vermutung einer FH-Homozygotie sollten bereits frühere Untersuchungen initiiert werden.

Für ein generelles Cholesterinscreening wird die Cholesterinbestimmung anlässlich der letzten bislang von der Krankenkasse bezahlten pädiatrischen Vorsorgediagnostik U9 (ab 5 Jahren) angeregt. Ein generelles flächendeckendes FH-Screening ist jedoch noch immer nicht umgesetzt.

Medikamentöse Therapie bei Kinder

Unter Experten besteht Einigkeit, dass Kinder und Jugendliche mit Familiärer Hypercholesterinämie medikamentös behandelt werden sollten, da die Atherosklerose (Gefäßverkalkung) bereits nach der Geburt. In medizinischen Fachkreisen wird jedoch noch über das konkrete Alter diskutiert, von dem an betroffene Kinder cholesterinsenkende Medikamente bekommen sollten.

Es wird empfohlen, Kinder ab einem Alter von 6 Jahren medikamentös zu behandeln. Dies muss immer im Einzelfall entschieden werden.
Bereits im Kindesalter können sich die Auswirkung der Familiären Hypercholesterinämie zeigen. Mit dem Ultraschall können bereits frühkindliche Gefäßveränderungen erkannt werden. Oftmals nehmen Gefäßveränderungen nach der Einnahme von Statinen wieder ab. Dies kann zumindest als indirekter Hinweis auf den Nutzen gedeutet werden. Die im Jahr 2019 publizierten 20-Jahre-Follow up-Daten von statinbehandelten Kindern mit Familiärer Hypercholesterinämie zeigen ebenfalls die positiven Wirkungen der medikamentösen Therapie im Kindesalter. Es zeigte sich auch, dass die Folgen der Familiären Hypercholesterinämie wesentlich ausgeprägter sind, wenn die Krankheit lange Zeit unerkannt und unbehandelt bleibt.

Statine

Statine sind das Medikament der ersten Wahl auch bei Kindern und Jugendlichen mit Familiärer Hypercholesterinämie. Die niederländische Studie aus dem Jahr 2019 zeigte, dass Statine, die im Kindesalter initiiert wurden, das Fortschreiten der Intima-Media-Dicke der Karotis verlangsamten und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Erwachsenenalter verringerten. Das bedeutet, dass das Risiko auch schon in jungen Jahren massiv gesenkt werden kann. Eine Behandlung mit Statinen sollte daher ab dem 6. bis 8. Lebensjahr in Betracht gezogen werden und eine 50%ige LDL- Cholesterinsenkung erreicht werden.

Ist ein Kind sehr schwer betroffen, sollte die Therapie auch schon früher begonnen werden. Die Therapie mit Statinen, die die Bildung von Cholesterin in den Leberzellen hemmen, hat sich durchgesetzt, da die Einnahme unkompliziert ist und die Cholesterinsenkung stärker ausfällt.

Anionenaustauscher

Die sog. Anionenaustauscher werden in der medikamentösen Therapie eingesetzt, da diese Substanzgruppe weniger in den Stoffwechsel eingreift. Als Nachteil wird von einigen Patienten empfunden, dass relativ große Mengen von diesen Medikamenten genommen werden müssen und es häufiger zu gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Unwohlsein und Bauchschmerzen kommen kann.

Neue Medikamente

Sogenannte PCSK9-Inhibitoren können über eine Heraufregulation der LDL-Rezeptoren an der Leberzelle zu niedrigeren Cholesterinspiegeln führen, eine Antikörper-induzierte medikamentöse Therapie ist ab 12 Jahren zugelassen, eine andere Therapieform mit halbjährlichen kleinen Spritzen unter die Haut kann über eine si-RNA eine Herunterregulation von PCSK9 und damit eine Heraufregulation der LDL-Rezeptoren auf der Leberzelle erreichen und damit das Lipidprofil im Blut normalisieren. Entsprechende Kinderstudien sind derzeit im Gange.

Apherese

Ist eine besonders schwere Form der Familiären Hypercholesterinämie bereits im Kindesalter bekannt (z.B. die homozygote FH), so kann eine Apheresebehandlung (Blutwäsche) bereits im Kleinkindalter in Frage kommen, die wöchentlich zusammen mit einer medikamentösen Kombinationstherapie eingesetzt wird. Es gibt die Möglichkeit, die lebensrettende Behandlung individuell auf die Bedürfnisse von Kindern anzupassen.

In schwersten Fällen sind auch Lebertransplantationen zur Therapie der Familiären Hypercholesterinämie vorgenommen worden, weil dadurch dem Organismus wieder funktionsfähige Rezeptoren für den LDL-Abbau übertragen werden können und so Herzinfarkte im Kindesalter verhindert werden können – dies betrifft aber nur Fälle mit homozygoter Ausprägungsform und ist extrem selten, da die Lipid-Apherese sehr effektiv und weniger einschneidend ist.

Besonderheiten bei der Therapie von Kindern

Grundsätzlich ist es sehr wichtig, dass die Kinder von frühester Kindheit einen gesunden Lebensstil erlernen und diesen ganz einfach als normalen Lebensstil kennen. Das umfasst die ausgewogene Ernährung, viel Bewegung und einen lebenslangen Nikotinverzicht. Das Vorbild der Eltern ist dabei ganz entscheidend.

Kinder haben oftmals Schwierigkeiten mit der Einnahme von Medikamenten, da sie nicht verstehen, welche Bedeutung die Einnahme der Arzneimittel für sie hat.

Dabei ist ein häufiges Problem, dass Kinder die Einnahme eines Arzneimittels verweigern. Häufige Gründe der Verweigerung sind oftmals die Größe des Arzneimittels oder eine unangenehme Arzneiform, schlechter Geschmack oder Geruch oder eine unangenehme Verabreichung (z.B. Spritzen) oder Angst.

Häufig sind die Anfahrtwege zum nächsten Kinder-Lipidologen recht weit und die Wartelisten bei diesen Ärzten lang.


Wunsch nach Screening

Weil die heterozygote Familiäre Hypercholesterinämie vergleichsweise häufig ist aber in den meisten Fällen unentdeckt bleibt, fordern CholCo e.V. und alle Fachleute eine flächendeckende Bestimmung des Cholesterins schon bei Kindern, am besten in Form eines regelhaften Screenings zur U9, bei dem der Jahrgang gesunder (Klein-)Kinder noch zu über 95% vollständig untersucht werden. Eine Bestimmung der benötigten Blutwerte ist kapillär möglich, weder teuer noch aufwändig.Der mögliche resultierende Nutzen ist dagegen enorm: Wenn vermieden werden kann, dass Patienten mit FH ihre Diagnose zu spät erhalten, ließen sich Dekanden werten Lebens retten.

Früher an später denken!
Ziel muss es sein, die FH vor der Entstehung der Folgekrankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln.

Fr1dolin und Vroni-Studie zur Früherkennung von Familiärer Hypercholesterinämie

Fr1dolin ist eine Initiative, die allen Eltern in Niedersachsen anbietet, ihr Kind kostenlos auf familiäre Hypercholesterinämie testen zu lassen. Der Früherkennungstest kann bei allen Kindern zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr schnell, sicher und einfach beim Kinderarzt durchgeführt werden. Mit der Vroni-Studie soll allen Kindern im Freistaat Bayern, im Rahmen der Voruntersuchungen U9 bis J1 (5-14 Jahre), oder im Rahmen jedes anderen Kinderarztbesuches im Alter von 5-14 Jahren ein Screening zur Diagnose der FH angeboten werden.

Unsere Botschaft lautet: Je früher eine Familiäre Hypercholesterinämie erkannt wird, desto effektiver kann einer frühzeitigen Ausprägung von Atherosklerose bereits im Kindesalter entgegen gewirkt werden!

Teilnehmende Kinder- und Jugendärzte bekommen ein Paket mit Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt, die auch die mehrsprachigen Kinderbroschüren von CholCo e.V. enthalten.

Brauchen Sie Unterstützung?

CholCo e.V. hilft Ihnen gerne bei der Suche nach einem Lipidspezialisten oder einer Lipidambulanz in Ihrer Nähe.