Für viele Betroffene mit Familiärer Hypercholesterinämie führt kein Weg an der Verwendung von Medikamenten vorbei. Mittlerweile gibt es vielfältige Möglichkeiten, die Familiärer Hypercholesterinämie medikamentös zu behandeln.
Wenn erhöhte Blutfette erblich bedingt sind, ist die Gefahr groß, schon in jungen Jahren kardiovaskuläre Ereignisse zu erleiden
Da es sich bei der Familiären Hypercholesterinämie um eine Erbkrankheit handelt ist sie nicht heilbar. Mit Hilfe moderner Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten ist eine Fettstoffwechselstörung aber zumindest in den meisten Fällen gut beherrschbar, sodass Betroffene ein weitgehend normales Leben führen können.
Entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist es, die Familiäre Hypercholesterinämie so früh wie möglich zu erkennen – so können schwere Gefäßschäden (Arteriosklerose) verhindert werden.
Wesentlich für eine erfolgreiche Therapie einer Familiären Hypercholesterinämie ist die regelmäßige Kontrolle der Blutfettwerte und die damit verbundene Bemühung, die Cholesterinwerte innerhalb der Normwerte zu halten. Um die Blutfettwerte innerhalb der Normwerte zu halten, bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Zu den wichtigsten gehören die konsequente Befolgung von Ernährungsrichtlinien, sportliche Betätigung, die Verwendung cholesterinsenkender Medikamente und – als ultima ratio – die Lipid-Apherese.
Natürlich helfen Medikamente, wie z.B. Tabletten zur Senkung der Cholesterinwerte nur, wenn sie regelmäßig eingenommen werden.
Wirkstoffgruppen
Mittlerweile gibt es vielfältige Möglichkeiten, die Familiärer Hypercholesterinämie medikamentös zu behandeln. Die wichtigsten Wirkstoffgruppen zur Behandlung der Familiären Hypercholesterinämie sind:
• Statine
• Cholesterinresorptionshemmer
• Bempedoinsäure
• PCSK9-Inhibitoren und Inclisiran
• Anionentauscher
• Fibrate
Es ist bei allen Angaben stets zu beachten, dass Medikamente niemals ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden oder die Mengen selbständig verändert werden dürfen.
Behandlung der Blutfettwerte mit Statinen – die Basistherapie
Statine sind die bevorzugten Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels wenn Lebensstilmaßnahmen alleine nicht ausreichen. Diese Substanzen wirken über die Hemmung der körpereigenen Cholesterinsynthese (vor allem in der Leber). Da die Leber allerdings Cholesterin benötigt, wird dieses aus dem Blut aufgenommen, wenn die Eigenproduktion durch Statine reduziert wird. Statine können so den Spiegel an LDL-Cholesterin im Blut um bis zu 50% senken. Können die Zielwerte unter einer höheren Dosis eines Statins nicht erreicht werden, bietet sich als Kombinationspartner der Cholesterinresorptionshemmer Ezetimib an.
Bei Patienten, die Statine nicht vertragen (z.B. Muskelbeschwerden unter einer Statintherapie aufweisen) sollte zunächst überprüft werden, ob der Muskelwert (CK) erhöht ist. Ist dieser Wert erhöht, dann sollte die Statintherapie zunächst komplett unterbrochen werden. Ist dieser Wert nicht erhöht, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder kann die Dosis reduziert werden oder ein anderes Statin eingesetzt werden. Auch in diesem Fall kann es sinnvoll sein, die Statintherapie für einige Wochen zu unterbrechen, um zu sehen, ob die Muskelbeschwerden wirklich von den Statinen kommen. Auch bei Statinunverträglichkeit kann es sinnvoll sein, frühzeitig mit dem Cholesterinresorptionshemmer Ezetimib zu kombinieren, um ggf. mit einer geringen Dosis eines Statins auszukommen. Als weitere Nebenwirkung der Statine sind Leberwerterhöhungen zu nennen, die bei 1-2% der behandelten Patienten auftreten. Aus diesem Grund wird empfohlen, 4-6 Wochen nach Beginn einer Statintherapie die Blutwerte zu überprüfen (Lipidwerte, Muskelwerte und Leberwerte).
Statine gelten als Mittel der ersten Wahl zur Erreichung des LDL-Cholesterinziels, weil sie in vielen sogenannten Endpunktstudien zeigen konnten, dass unter einer Statintherapie das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, insbesondere Herzinfarkt und Schlaganfall gesenkt werden kann. Dabei ist der Effekt besonders groß, wenn das Risiko besonders hoch ist.
Bempdoinsäure
Ähnlich wie Statine hemmt Bempedoinsäure auch die Cholesterinbildung. Hierbei wirkt sie aber nur in der Leber, so dass weniger muskuläre Nebenwirkungen auftreten. Das Medikament wurde erst Ende 2020 zugelassen, Endpunktstudien liegen noch nicht vor. Bempedoinsäure scheint ein sehr guter Kombinationspartner für Ezetimib zu sein und senkt das LDL-Cholesterin um weitere 20-25%.
Behandlung mit Cholesterinresorptionshemmer
Medikamente aus dieser Wirkstoffklasse hemmen die Aufnahme des Cholesterins aus dem Darm in den Körper. Bisher ist allerdings nur ein Medikament auf dem Markt, das diesen Wirkmechanismus aufweist. Es senkt das Cholesterin etwas über 20% und ist auch wegen der guten Verträglichkeit der häufigste Kombinationspartner der Statine – entweder um Beschwerden zu reduzieren oder um ein bestimmtes Therapieziel zu erreichen.
Behandlung mit Anionenaustauscher
In Dosen von über 20 Gramm pro Tag waren Medikamente dieser Substanzgruppe lange Zeit vor der Einführung der Statine die wesentliche Behandlungsmöglichkeit von erhöhtem Cholesterin. Sie wirken im Darm und binden dort Gallensäure, die aus Cholesterin produziert wird. Um neue Gallensäure zu bilden, verbraucht der Organismus dann wieder Cholesterin, sodass der Spiegel sinkt. Die Senkung von LDL-Cholesterin erreicht allerdings nur selten 20 Prozent. Gegenwärtig werden auch diese Medikamente als Kombinationspartner eingesetzt oder als Alternative bei Statinunverträglichkeit. Häufigste Nebenwirkung der Anionenaustauscher sind Blähungen.
Behandlung mit Fibraten
Medikamente dieser Substanzgruppe steigern den Abbau von Fettsäuren innerhalb der Zellen. Sie senken das Cholesterin aber verhältnismäßig wenig und werden vor allem in Betracht gezogen, wenn die Triglyceride erhöht sind. Zu den Nebenwirkungen können in erster Linie Muskelbeschwerden gehören. Besonders bei der Kombination mit Statinen erhöht sich das Risiko für Nebenwirkungen.
Behandlung mit PCSK9-Inhibitoren
Mit der Zulassung der neuen Wirkstoffe aus der Gruppe der PCSK9-Inhibitoren wurde im Jahr 2015 ein neues Kapitel in der Geschichte der Lipidsenker aufgeschlagen. Zum ersten Mal handelte es sich nicht um eine Therapie in Tablettenform, sondern in Form einer subcutanen Injektion, die durch die Patienten selbst alle 2 oder 4 Wochen durchgeführt wird.
PCSK9-Inhibitoren sind Antikörper gegen das Enzym PCSK9. PCSK9 ist dafür verantwortlich, dass der LDL-Rezeptor, über den das LDL aus dem Blut aufgenommen wird, nach Gebrauch abgebaut wird. Ist kein PCSK9 vorhanden, wird der LDL-Rezeptor wiederverwendet. Mit einem PCSK9-Inhibitor wird PCSK9 abgefangen und der LDL-Rezeptor kann immer wieder verwendet werden. Damit sinkt der LDL-Cholesterinspiegel im Blut ab. Durch diese Medikamente kann der LDL-Cholesterinwert im Schnitt um 50% abgesenkt werden. Hier gibt es allerdings gewisse individuelle Unterschiede, da ja auch die zugrundeliegende Genetik nicht bei allen Betroffenen gleich ist. Wichtig ist, dass auch bei einer Therapie mit einem PCSK9-Inhibitor die Therapie mit Tabletten (Statin und Ezetimib) parallel fortgesetzt werden sollte.
Auch für PCSK9-Inhibitoren konnte im Rahmen von großen Endpunktstudien gezeigt werden, dass das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, insbesondere Herzinfarkt und Schlaganfall, reduziert werden kann.
Attraktiv ist diese Medikamentengruppe auch deshalb, da sie selbst praktisch keine Nebenwirkungen aufweist und auch von praktisch allen Patienten mit Statinunverträglichkeit gut vertragen wird. Als Nachteil ist der sehr hohe Preis zu nennen.
Ganz ähnlich wirkt Inclisiran, welches nur alle 3-6 Monate subcutan gespritzt werden muss. Es wirkt in der Leberzelle selbst, indem es die Bildung des PCSK9-Proteins verhindert. Inclisiran scheint ähnlich stark zu wirken wie die PCSK9-Antikörper; Endpunktstudien liegen aber noch nicht vor.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (GB-A) hat eine Verordnungseinschränkung erlassen, die regelt, welchen Gruppen von Patienten die Präparate verschrieben werden dürfen.
Die Erstversorgung und Überwachung der Therapie erfolgt durch:
• Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie
• Fachärzte für Innere Medizin und Nephrologie
• Fachärzte für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
• Fachärzte für Innere Medizin und Angiologie oder
• Fachärzte, die an Ambulanzen für Lipidstoffwechselstörungen tätig sind.
Die Folgeverordnung kann anschließend durch Hausärzte erfolgen.
PCSK9-Inhibitoren können eine Therapieoption für Hochrisikopatienten sein, wenn
• zusammen mit einem Statin oder anderen cholesterinsenkenden Arzneimitteln die Maximaldosis eines Statins den Cholesterinspiegel nicht ausreichend erniedrigt,
• Statine nicht gut angewendet werden können oder nicht ausreichend wirken oder
• eine homozygote Familiäre Hypercholesterinämie vorliegt oder
• eine heterozygote familiäre Hypercholesterinämie unter Berücksichtigung des Gesamtrisikos vorliegt .
Wenn diese Vorgaben erfüllt sind, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Bei privat Versicherten sollte vorab eine Nachfrage bei der Kasse erfolgen, da die Leistungserstattungen der Versicherungsverträge sehr individuell sind.
MTP-Inhibitor
Für Patienten mit einer homozygoten Familiären Hypercholesterinämie ist ein MTP-Inhibitor zugelassen. Dieser bewirkt eine geringere Produktion von VLDL-Cholesterin in der Leber und von Chylomikronen im Darm, woraus eine LDL-Cholesterin-Senkung resultiert. Durch die Einnahme können eine Leberverfettung und Fettstühle auftreten, weshalb die Fettzufuhr über die Ernährung sehr stark reduziert werden muss.
Die Wirkungsweise der Medikamente ist von Patient zu Patient verschieden. Die Behandlung muss daher vom behandelnden Arzt auf den Patienten abgestimmt und regelmäßig kontrolliert werden. Natürlich helfen Medikamente, wie z.B. Tabletten zur Senkung der Cholesterinwerte, nur, wenn man sie auch zuverlässig einnimmt.
Tipps um die Einnahme der Tabletten nicht zu vergessen
Lassen Sie sich von Ihren Familienmitgliedern an die Einnahme der Medikamente erinnern, sodass Sie an die Einnahme denken. Stellen Sie sich einen Wecker für Ihre Einnahmezeit oder nutzen Sie eine App, die Sie an die Einnahme erinnert. Alternativ können Sie einen Post-it z. B. am Badezimmer- oder Küchenschrank oder an der Kaffeemaschine anbringen, um die Einnahme nicht zu vergessen.
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